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Was Mobilität-Startups von der Politik erwarten

D. Barth Montag, 4.9.2023

Im Rahmen einer politischen Sommerreise besuchte Olaf Scholz in seiner Funktion als Bundestagsabgeordneter verschiedene Unternehmen in seinem Wahlkreis, darunter auch me energy. Gemeinsam mit der stellvertretenden Landrätin, sowie Landratskandidatin Susanne Rieckhof informierte er sich über den ersten Anbieter und Betreiber von stromnetzunabhängigen Schnellladestationen. Die Rapid Charger benötigen keinen Anschluss an das Stromnetz, weil sie selbst CO-neutralen Strom aus Bioethanol erzeugen. Nach einer Produktionsbesichtigung nahm sich der Bundeskanzler die Zeit, bei einem nicht presseöffentlichen Gespräch mit me energys CEO Alexander Sohl und CTO Inès Adler, über aktuelle Herausforderungen beim Ausbau der Ladeinfrastruktur in Deutschland zu sprechen. Was der Politiker zum Thema Förderung sagt und was Startups wie me energy von der Politik erwarten, um die Elektromobilität vorantreiben zu können, verrät Alexander Sohl im Gespräch.

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© Marcus Lieder

 

Wo siehst du die Anwendungsmöglichkeiten eures Produkts und was kann die Politik verbessern?

Der Rapid Charger wird immer dort gebraucht, wo das Stromnetz nicht in der Lage ist, Fahrzeuge schnell zu laden oder die Ausbaukosten einfach zu hoch sind.  Das sehen wir oftmals beim ÖPNV, bei Unternehmen, die ihre Flotten umstellen wollen und öffentlichen Einrichtungen. Egal ob an der Autobahn, in der Stadt oder auf dem Land, überall kommt unsere Lösung zum Einsatz. Denn besonders die Strom-Verteilernetze arbeiten am Limit und oft fehlen die Netzkapazitäten für ein 20-stöckiges Haus – das entspricht der Ladeleistung eines Teslas oder eTrucks.

Für langfristige Investitionen braucht es Planungssicherheit. Daher wäre ein klares Bekenntnis zur Elektromobilität wichtig. Dieses ist mit entsprechenden Gesetzen und Förderungen zu untermauern, die den Umstieg auf Elektrofahrzeuge attraktiver gestalten. Beispielsweise durch reduzierte Besteuerung, Kaufprämien oder die Bezuschussung von Ladeinfrastruktur. 

 

 

Warum wird beim Ausbau der Ladeinfrastruktur gezögert?

Auch Elektromobilität muss wirtschaftlich sein. Im Gegensatz zu Verbrennern gehört bei der Elektromobilität die Anschaffung einer Tankstelle, vielmehr von Ladeinfrastruktur, mit dazu. Die Investition für eine Schnellladestation lohnt sich ab etwa fünf Ladungen pro Tag. Für viele Standorte ist dies aktuell noch unerreichbar. Daher werden die Rufe nach Förderung schnell laut, um die Zeit zu überbrücken, bis sich die Frequenz der Ladungen entsprechend erhöht hat. 

Hinzu kommen Anschaffungskosten für Fahrzeuge oder Leasingraten, die noch höher sind als bei vergleichbaren Fahrzeugen. Die möglichen Einnahmen bzw. Einsparungen durch Treibhausgas- (THG-) Quotenhandel oder CO-Einsparungen kompensieren die Mehrkosten oft noch nicht. Hinzu kommt, dass Dieselfahrzeuge oft flexibler eingesetzt werden können und besser in die betrieblichen Abläufe passen. Daher entscheiden sich doch viele Unternehmen aktuell lieber für einen Diesel.  

 

Die Rapid Charger erzeugen Strom aus Bioethanol oder Biomethanol. Ist hier regulatorisch noch Handlungsbedarf?

Definitiv! Der Gesetzgeber sieht nicht vor, dass eine Anlage, ohne Anschluss an das Stromnetz, Strom verkauft. Diese Insellösung stellt eine Besonderheit dar und so ergeben sich Lücken. Beispielsweise werden wir bei der Erzeugung von CO-Einsparungen im Rahmen der BImSchV nicht als Inselanlage berücksichtigt, obwohl wir grünen Strom aus biomassestämmigen oder sonstigen Reststoffen erzeugen. Darüber hinaus ist auch die Einordnung im Rahmen der Energiesteuer nicht klar. Hier müssen grüne Energieträger anders besteuert werden als Diesel oder Benzin. Auch das wird im Gesetz aktuell nicht berücksichtigt.

 

Was muss sich an der Politik für Fördermittel zum Ausbau der Elektromobilität ändern? Wo siehst du Herausforderungen und Chancen?

In den Gesprächen mit vielen Kunden ergibt sich folgender Eindruck: Ohne Fördermittel machen wir das nicht. Wenn es eine Förderung von bis zu 80 Prozent der Ausgaben gibt, dann denkt jeder so. Hier liegt eines der Kernprobleme: Durch sehr hohe Förderung werden nur Investitionen im Rahmen von Förderaufrufen getätigt und das in einem kurzen Zeitraum. Danach bricht die Nachfrage wieder ein und es wird auf den nächsten Aufruf gewartet. Zu beobachten ist dies bei der Wallboxförderung oder dem KsNI-Programm. Das hat auch eine enorme Auswirkung auf Verkaufspreise, die den Förderrichtlinien entsprechend angepasst werden. 

Ich möchte daher für geringere Förderquoten plädieren, die über längere Zeiträume zur Verfügung stehen und sich nicht konzentriert in einem Aufruf häufen, vergleichbar mit Förderungen im Bereich Bauen. Darüber hinaus ist wichtig, dass die insgesamt wirtschaftlichste Variante sich durchsetzt, egal ob stromnetzgebunden oder -unabhängig. Daher würden wir uns wünschen, dass auch mobile Ladestationen mit Stromerzeugung wie unsere als Referenz miteinbezogen wird.

 

Setzt sich Olaf Scholz zukünftig für netzunabhängige Ladestationen ein?

Wir sind aktuell noch nicht präsent oder bekannt in der politischen Welt, daher war sein Besuch ein guter Anfang. Herr Scholz wirkte sehr interessiert und hat direkt verstanden, dass wir eine Lücke im Bereich der Ladeinfrastruktur schließen. Der Einsatz unserer Lösung bei systemrelevanten Behörden, wie der Polizei ergibt zudem viel Sinn, da wir auch bei einem Stromnetzausfall noch Einsätze ermöglichen. Zudem zeigte er sich offen für unsere Änderungsvorschläge in den Bereichen Förderung und THG-Quotenhandel. Wir sind gespannt, ob den Worten Taten folgen. 

 

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© Marcus Lieder